Dienstag, 26. Juli 2016

Alles hat ein Ende, auch der Rechtsweg

Leider haben mich fortgesetzte gesundheitliche Probleme und ein stressiger Europa-Aufenthalt daran gehindert, diesen Blog zeitnah zu aktualisieren. Ich stehe aber in ständigem Austausch mit einem der guten Geister von online-boyott.de, der die Infos, die ich nun endlich mal teile, schon längst weitergegeben hat.

Ich werde demnächst zum dritten Mal ins Krankenhaus müssen, um mich einer anundfürsich nicht so ernsten, aber doch belastenden OP zu unterziehen. Das und die Medikamente, die ich zwischenzeitlich schlucken muss, haben mich davon abgehalten, die Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts zur Bestätigung des Rundfunkbeitrags vom 16./17. März zeitnah zu kommentieren. Dies ist aber ausführlich auf online-boykott.de geschehen, und wenn ich dies selbst auch etwas anders formuliert hätte, ist das wichtigste zu dem Urteil hier zu finden: http://online-boykott.de/de/nachrichten/148-bundesverwaltungsgericht-verweigert-die-rechtsprechung-nach-geltendem-recht. 

Als ich diesen Blog vor 3 Jahren begann, war gez-boykott.de in Rechtssachen noch nicht so firm, das war für mich einer der Gründe, mich aus medienrechtlicher Sicht zum Thema Rundfunkbeitragsklage zu äußern. Inzwischen hat sich die Seite vor allem seit dem Relaunch erheblich aufgewertet, und ich finde nur noch wenig, was mir korrekturbedürftig erscheint.

Wie zu erwarten ist mein eigener ruhender Antrag auf Zulassung zur Berufung nach Abweisung der Klage in erster Instanz vom Oberverwaltungsgericht abgewiesen worden, da die Klage keinen Aussicht auf Erfolg haben könne. Als Begründung wurde auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts verwiesen. Mir blieben danach 30 Tage Zeit, eine begründete Verfassungsbeschwerde einzureichen. Dies hätte ich auch getan, wenn es bei der ursprünglichen Auskunft meines Rechtsbeistands zu den Kosten geblieben wäre. Diese sollten nämlich nur ca. €190 betragen. Allerdings ist der Anwalt, der meinen Fall betraut hat, Ende Juni in eine andere Kanzlei gewechselt. Seine Vertretung in Rundfunkbeitragssachen ist der Ansicht, dass aufgrund der Begründung des Bundesverwaltungsgerichts nur mehr wenig Chancen auf eine erfolgreiche Verfassungsbeschwerde bestünden. Ferner wurde kanzleiintern über eine adäquate Vergütung beraten, als deren Ergebnis mir ein Pauschalangebot von €3500 bzw. ein Stundensatz von €210 angeboten wurde.

Dieser enorme Unterschied erklärt sich wohl daraus, dass der bisher zuständige Anwalt die Rundfunkproblematik weitestgehend pro bono betreut hatte, da er sie als Rechtssport angesehen hat. Das deckt sich auch in etwa mit meinen ursprünglichen Erwartungen, wobei ich in früheren Posts von ca. €1000 für Kosten für Rechtsgutachten / Begründungen ausgegangen war. Wie dem auch sei - in meiner Situation kommen solche Ausgaben nicht in Frage. Zum einen bin ich als Konsequenz aus dem Rundfunkbeitrag schon längst aus Deutschland verzogen. Zum anderen blieb mir nicht die Zeit, einen anderen, günstigeren Anwalt zu suchen. Ich habe dies aber rechtzeitig Mitstreitern zur Kenntnis gegeben, so dass sie diese Information teilen konnten und nicht in den selben Zeitdruck geraten sind. Diese erwägen nun, den bereits in der Sache tätigen und versierten Thorsten Bölck zu beauftragen, wobei Kosten von €600 bis €1000 im Gespräch sein sollen. Für mich selbst ist der Rechtsweg allerdings beendet.


Die endgültigen Anwaltskosten über den bereits geleisteten Gerichtskostenvorschuss von €105 hinaus betragen €183. Da der Streitwert im Kostenrahmen geblieben ist, war es das für mich. Im Beschluss zur Ablehnung der Zulassung zur Berufung wurde bestätigt, dass die Rundfunkanstalt die Kosten für ihren Prozessbevollmächtigten selbst zu tragen hat. Denn da ich die Klage erstinstanzlich ohne anwaltliche Vertretung eingereicht hatte, in erkennbarem Bemühen, den Streitwert gering zu halten, hätte die beklagte Anstalt nicht das Recht dazu gehabt, über die Benennung eines Prozessbevollmächtigten die Kosten hochzutreiben. In diesem Punkt haben die Gerichte durchaus gezeigt, dass sie nicht willens sind, auf alle Forderungen der Rundfunkanstalten einzugehen, wenn diese nicht durch die Ermächtigungsgrundlage des RBStV gedeckt sind. Infolgedessen sind der Rundfunkanstalt erheblich höhere Kosten entstanden als mir, was immerhin ein Teilerfolg ist.


Da ich bereits seit längerer Zeit ins Ausland verzogen bin, wird wohl auf der Basis des Urteils eine Zahlungsaufforderung an meine Korrespondenzadresse ergehen. Die gilt allerdings nicht mehr, und der Beitragsservice wird daraufhin versuchen, eine neue Anschrift zu ermitteln. Wenn der Verzug ins Ausland festgestellt wird, könnte die Rundfunkanstalt aufgrund der Unkosten aufgeben oder aber - was ich für wahrscheinlicher halte - versuchen, einen Mahnbescheid wegen Verzugs ohne Anschrift zu erwirken. Das wäre rechtswidrig, weil über meinen Anwalt eine Anschrift vorliegt. Wundern würde mich ein solches Vorgehen allerdings kaum. Da ich aber nicht über pfändbare Güter verfüge, sorgt mich diese Aussicht nicht besonders - außerdem wäre dies ein erneuter Angriffspunkt, der es ermöglichen würde, dem Beitragsservice Kosten zu verursachen. Denn gegen einen nicht zugestellten Bescheid kann wieder geklagt werden. Sollte es zu einer ordentlich zugestellten Forderung über meinen Rechtsbeistand kommen, würde ich die Methode Norbert Härings anwenden und auf Barzahlung bestehen - mit der Begründung, dass ich mangels eines Kontos den betreffenden Betrag nicht überweisen kann. Allerdings ist er selbst deswegen vom Beitragsservice verklagt worden, wofür sich weder ihm noch mir die Rechtsgrundlage erschließt - siehe

http://norberthaering.de/de/27-german/news/639-rundfunkbeitrag-aus-den-fugen.


Während meines Deutschlandaufenthaltes wurde mir allerdings wieder mal bewusst, dass es ethisch untragbar geworden ist, Forderungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu begleichen. Ich war zu Gast bei einer Freundin gewesen und hatte mit ihrer Tochter die "KiKa logo", ein Nachrichtenformat für Kinder, angeschaut. Dabei wurden die gerade stattfindenden NATO-Manöver in Polen mit russischer Agression begründet. Zur Veranschaulichung wurde eine Grafik gezeigt, die in die Krim einmarschierende russische Strichmännchen zeigte, wogegen ein paar ukrainische Strichmännchen nichts ausrichten konnten. Zur Erinnerung: Während der Maidan-Proteste erklärte sich zunächst die 40km von der polnischen Grenze entfernte Stadt Lviv für unabhängig (von der Regierung Janukowitsch). Als dieser floh und die Maidan-Bewegung die Macht übernahm, kündigte der neue Ministerpräsident Arsenij Jasenjuk an, alle bilateralen Abkommen mit Russland seien ungültig und müssten neu verhandelt werden, inklusive der Bestimmungen zur Krim im Grundlagenvertrag mit Russland von 1997/99. Da diese das Nutzungsrecht der Stadt Sewastopol als größte russische Marinebasis beinhaltete, erklärte sich diese für russisches Territorium. Daraufhin wurde binnen kürzester Zeit das umstrittene Referendum vom 16. März 2014 organisiert, in dem sich eine große Mehrheit der Bevölkerung der Krim für einen Anschluss an Russland aussprach; in der Übergangsphase lief mehr als die Hälfte der ukrainischen Soldaten auf der Krim zu Russland über, der Rest verließ die Krim kampflos per Zug. Es gibt zwar gute Gründe, dieses Referendum und den Anschluss der Krim für bedenklich zu halten, aber die Annahme, Russland sei in die Krim einmarschiert, ist schlichtweg falsch, weil sich die betreffenden Truppen auf der Basis des Grundlagenvertrags ständig auf der Krim aufhielten. Es ist nach wie vor unglaublich, dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten diese allgemein bekannten und leicht überprüfbaren Tatsachen nicht nur beharrlich leugnen, sondern auch ihren Kinderkanal dazu missbrauchen, die politische Meinung Heranwachsender auf Linie zu trimmen. Wie einseitig der Umgang in deutschsprachigen Medien mit diesem Thema ist, erschließt sich bereits beim Vergleich der Wikipedia-Seiten zum Referendum in deutscher und englischer Sprache - es liegt mir also fern, diese Subjektivität einzig dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk anzulasten. Aber die Ermächtigungsgrundlage für den Rundfunkbeitrag ist nun einmal eine Verpflichtung zur Objektivität, die hier wieder einmal nicht eingehalten worden ist.



Obwohl auf diesen Widerspruch oft hingewiesen wurde - in der Rechtssprechung ist nicht darauf eingegangen worden. Die einzige Hoffnung auf ein Kippen des Rundfunkbeitrags auf rechtlichem Wege beruht darauf, dass die bestehenden Klagen auf dem Wege der Verfassungsbeschwerde ein anderslautendes Urteil des BVerfG erreichen. Und ich selbst schätze die Aussichten darauf inzwischen deutlich schlechter ein, obwohl das letzte Wort natürlich nicht gesprochen ist und obwohl die hier und andernorts genannten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Rundfunkbeitrag nach wie vor gelten. Zum einen werden die Rücklagen, die aus den Mehreinnahmen des Rundfunkbeitrags gebildet worden sind und deren Verwendung bis Ende 2016 nicht erlaubt ist, in den Haushalt der nächsten Beitragsperiode der öffentlich-rechtlichen Anstalten übernommen. Wie im letzten Post beschrieben, beruht allein darauf die voraussichtliche Senkung des Rundfunkbeitrags für 2017-2020. Danach ist mit einer steilen Erhöhung zu rechnen, da der wachsende Pensionsaufwand der Anstalten anders nicht zu kompensieren sein wird. Auf politischem Wege wird daher sehr viel Druck auf das BVerfG ausgeübt werden, einen Beschluss so lange wie irgend möglich zu verzögern. Am Ende wird sehr wahrscheinlich die bisherige Linie bestätigt werden, und die Begründung wird darauf hinauslaufen, dass die Mehrheit der Bevölkerung sich an dieses System gewöhnt habe und es völlig unproblematisch fände. Außerdem wäre eine Umstellung der Rundfunkfinanzierung nicht mehr möglich, da dafür die Rücklagen fehlten oder der finanzielle Mehraufwand unverhältnismäßig sei. Daraufhin wird es einige Jahre später eventuell eine dem widersprechende Deutung des EuGH geben, da diese Lesart gegen Art. 10 EMRK verstößt. Wie die Dinge aber jetzt liegen, kann man bezweifeln, dass die EU bis zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch in der Lage sein wird, persönlichkeitsrechtliche Fragen zu verhandeln, und als wahrscheinlicher annehmen, dass soziale Probleme weitaus größeren Ausmaßes den politischen Diskurs bestimmen werden.


Das ist natürlich die Tragik an dieser ganzen Entwicklung - ich hatte schon früh als Grund für eine Klage genannt, dass ein Stillhalten bei politischer Entrechtung eine weitere Entrechtung nach sich ziehen wird. Die letzten Jahre haben diese Befürchtung mehr bestätigt, als ich in meinen schlimmsten Alpträumen für möglich gehalten hätte. Inzwischen ist längst der Punkt erreicht, an dem mehr und mehr Menschen sich extremistischen Positionen nähern, weil sie sich von der Politik verraten fühlen. Das führt zu neuen Gefahren, als deren Lösung sich die politische Mitte präsentiert, die diese Problematik selbst verursacht hat - teils aus Selbstüberschätzung, teils aus Kalkül. Der Austritt Großbritanniens aus der EU, das drohende Scheitern des Flüchtlingsdeals mit der Türkei, deren endgültiger Abrutsch in einen präsidialen Obrigkeitsstaat, die sehr wahrscheinliche Wahl eines Rechtspopulisten zum Staatsoberhaupt Österreichs bei der anstehenden Wahlwiederholung, und nicht zuletzt die nicht auszuschließende Wahl eines Egomanen zum US-Präsidenten lassen erkennen, dass die Verselbstständigung der politischen Desillusionierung, zu der die Zwangsmaßnahme Rundfunkbeitrag lediglich ein wenig Zuarbeit geleistet hat, bereits unumkehrbar geworden ist. 

Wer sich daher erst jetzt mit dem Gedanken trägt, eine Klage gegen den Rundfunkbeitrag einzureichen - dazu kann ich nun nicht mehr raten, da sie aufgrund der Rechtslage ohne Verhandlung erstinstanzlich abgewiesen würde. Sinn macht der Rechtsweg zur reinen Zahlungsvermeidung meines Erachtens nicht mehr, es sei denn, man trägt sich mit dem Gedanken, Deutschland in nächster Zeit für immer zu verlassen. Strategien zur Zahlungsvermeidung gibt es aber andere, wie die in vorigen Posts beschriebenen: Wohnraumzusammenlegung, Adresswechsel, Angebot der Bargeldzahlung. Wenn allerdings erst einmal ein vollzugsfähiger Schuldtitel vorliegt, nutzt all dies nichts. Deshalb macht es nach wie vor Sinn, gegen einen widerspruchsfähigen Beitragsbescheid auch tatsächlich Widerspruch einzulegen, um nicht sofort in Verzug zu geraten. Diejenigen, die den Weg der Verfassungsklage gehen, müssen damit rechnen, dass dies keinen Aufschub der Zahlungsverpflichtung mit sich bringen dürfte, denn eine rechtliche Verpflichtung dazu besteht nicht. Es sei ihnen gewünscht, dass das Bundesverfassungsgericht doch noch von der bisherigen Linie abweichen wird. Denn ansonsten wird es wohl leider noch tiefgreifendere Beschränkungen der Meinungs- und Handlungsfreiheit geben.

Wer weiß, wer diesen Blog so alles liest, vielleicht fruchtet ja dieses Zitat bei dem einen oder anderen Entscheidungsträger: "In der Demokratie ist Toleranz die Voraussetzung für das Finden von tragfähigen Kompromissen, damit allen ein Leben in Würde möglich bleibt. Der Kompromiss beruht auf der Erkenntnis, dass die eigene Überzeugung, die eigenen Interessen und die eigene Lebensweise nicht das Maß aller Dinge sind. Wer erwartet, dass der andere nachgibt, soll diesem signalisieren, dass er selber auch prinzipiell in der Lage und konkret bereit ist nachzugeben.  Demokratie bedeutet, andere ausreden zu lassen; Toleranz bedeutet, ihnen zuzuhören und sie ernst zu nehmen. Dann aber geht es um gemeinsam zu akzeptierende Entscheidungen." (Friedrich Schorlemmer: Lass es gut sein: Ermutigung zu einem gelingenden Leben)